Selbstkritik und Selbsthass überwinden – so hilft ein Online-MBCL-Kurs

von | Juli 23, 2025

Menschen, die sehr selbstkritisch sind, haben oft das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Sie empfinden sich als minderwertig und schämen sich für ganz normale menschliche Unvollkommenheiten.

Wenn es nicht „rund läuft“, also wenn sie Fehler machen, schwierige Gefühle oder körperliche Beschwerden erleben, schauen sie nicht mit mitfühlenden Augen auf sich, sondern verurteilen sich dafür. Sie geben sich selbst die Schuld dafür, dass es ihnen nicht gut geht – als müssten sie immer stark und leistungsfähig sein und alles unter Kontrolle haben. Mitfühlend (also freundlich, verständnisvoll und unterstützend) mit sich selbst umzugehen, fällt ihnen schwer – und doch sehnen sie sich danach.

Ist es grundsätzlich falsch, selbstkritisch zu sein? Nein. Ganz sicher nicht. Ein gesundes Maß an Selbstkritik hilft uns, unser Verhalten zu reflektieren und Fehler zu erkennen – die wir dadurch auch wiedergutmachen können.

Problematisch wird es, wenn Selbstkritik ausufert und wir nicht mehr zwischen unserem Verhalten und uns als Person unterscheiden. Dann wird der kleinste Fehler zum Beweis dafür, dass wir als Mensch wertlos sind – unser Selbstwertgefühl leidet massiv und wir können in Selbsthass abdriften.

Es überrascht Sie sicher nicht, dass die Kombination aus übersteigerter Selbstkritik (oder sogar Selbsthass) und geringem Selbstmitgefühl ein guter Nährboden dafür ist, dass Menschen psychisch krank werden. Sie sind zum Beispiel gefährdet, Depressionen oder Ängste zu entwickeln. Und bei denjenigen, die schon psychisch krank sind, verfestigt harsche Selbstkritik die Problematik zusätzlich.

Leider führt übersteigerte Selbstkritik auch dazu, dass es die Betroffenen sich so sehr ablehnen und schämen, dass sie von sich aus keinen Kontakt zu einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten aufnehmen. Oft leiden sie still für sich – was ihre Beschwerden immer weiter verfestigt.

Wie können sie aus dieser Spirale aus starker Selbstkritik und Selbsthass aussteigen?

Darum geht es in diesem Beitrag. Selbstmitgefühl ist ein Schlüssel zu mehr Selbstfreundlichkeit und ein Online-MBCL-Kurs hilft nachweislich dabei, einen mitfühlenderen Blick auf sich selbst zu entwickeln.

Was ist übermäßige Selbstkritik?

Menschen, die übermäßig selbstkritisch sind,

  • bewerten sich sehr streng – oft mit einem harschen inneren Ton, den sie anderen gegenüber niemals so anschlagen würden.
  • stellen extrem hohe Anforderungen an sich selbst und streben nach Perfektion.
  • haben das Gefühl, dass sie immer funktionieren zu müssen, keine noch so kleinsten Schwächen zeigen zu dürfen und eigentlich ständig besser werden und mehr leisten zu müssen.
  • haben Angst davor, Fehler zu machen und die Anerkennung von anderen zu verlieren. Wenn etwas nicht (perfekt) gelingt, zweifeln sie an sich und ihren Fähigkeiten, geben sich die Schuld dafür und machen sich Vorwürfe (Ich bin nicht gut genug. Immer versage ich!). Ihr Selbstwertgefühl leidet massiv.

Mit anderen Worten: Übermäßig Selbstkritische Menschen kreisen um ihre Fehler, haben ständig das Gefühl, nicht gut genug zu sein und fühlen sich unzulänglich und wertlos. Sie sind oft gnadenlos mit sich – bis hin zum Selbsthass. Dahinter steckt oft die Hoffnung, sich durch Druck und Kontrolle schützen zu können: vor Ablehnung, vor Versagen, vor dem Gefühl, nicht gut genug zu sein.

Was ist Selbsthass?

Selbsthass ist eine extreme Form von Selbstkritik. Menschen, die sich selbst hassen, lehnen sich als Person ab und finden sich sogar abstoßend. Sie können den Drang haben, sich zu bestrafen.

Der Übergang von gelegentlicher, vielleicht sogar hilfreicher, Selbstkritik hin zu generellem Selbsthass ist oft schleichend. Wenn Selbstkritik überhandnimmt und zunehmend verletzend wird, kann sie eine Abwärtsspirale in Gang setzen – an deren Ende dann Selbsthass steht.

Wie wirken starke Selbstkritik und Selbsthass?

Übermäßige Selbstkritik und Selbsthass führen zu enormem Stress, vielen schwierigen Gefühlen und dazu, dass die Betroffenen sich innerlich zurückziehen, zutiefst einsam fühlen und oft psychisch krank werden.

Häufig entwickeln sie Ängste und Depressionen. Massive Selbstkritik ist aber auch ein Risikofaktor für viele andere psychische Erkrankungen – zum Beispiel Essstörungen, Traumafolgestörungen, Borderline Persönlichkeitsstörung und Bipolare Störungen.

Was kann helfen? MBCL im Online-Format

Harsche Selbstkritik (und besonders Selbsthass) sind tief verwurzelt und lassen sich nicht so einfach verändern. Es gibt aber trotzdem Möglichkeiten, sie zu überwinden. 🙂

Theorien und Forschungsarbeiten legen nahe: Wenn Menschen lernen, mitfühlender mit sich selbst umzugehen, lindert dies die schädlichen Folgen von harscher Selbstkritik und Selbsthass! Eine wirklich gute Nachricht. Und: Das MBCL-Programm kann Menschen effektiv und nachhaltig dabei unterstützen, mehr Selbstmitgefühl zu entwickeln und es lindert Selbstkritik und Selbsthass. Das haben eine Reihe von Studien bereits gezeigt, in denen MBCL als Präsenzkurs angeboten wurde.

Aber würden Menschen mit extremer Selbstkritik überhaupt in MBCL-Präsenz-Kurse kommen? Vermutlich eher nicht. Warum? Weil sie sich selbst so sehr ablehnen und schämen, dass Face-to-Face-Hilfsangebote kein (leicht) gangbarer Weg für sie sind.

Ist MBCL im Online-Format dann vielleicht genau die Tür, durch die diese Menschen leichter gehen – und Hilfe annehmen können? Unten stelle ich Ihnen zwei Studien vor die belegen: Ein Online-MBCL-Kurs hilft, sich weniger zu kritisieren und abzulehnen und langsam, mehr und mehr anzunehmen. 

Bitte bedenken Sie: Wenn Sie unter schwerem Selbsthass leiden ist es wichtig, dass Sie sich auch therapeutische Unterstützung suchen. Dann kann ein MBCL-Kurs die Wirkung der Therapie wunderbar unterstützen.

Ist MBCL im Online-Format vielleicht genau die Tür,
durch die sehr selbstkritische Menschen leichter gehen können um sich freundlicher und warmherziger zu begegnen?

Diese Frage zu klären war das Ziel von Schweizer Forschenden. Schon Jahre vor der Corona-Pandemie (also als Medium „Online“ für die meisten von uns noch nicht selbstverständlich war!) haben sie den ersten Online-MBCL-Kurs konzipiert und seine Wirksamkeit bei sehr selbstkritischen Menschen erforscht.

Kleiner Spoiler: Online-MBCL war gut zugänglich und wirkte! Der Kurs stärkte nicht nur das Selbstmitgefühl der Teilnehmenden, sondern verringerte neben harscher Selbstkritik auch ihren üblicherweise „hartnäckigeren“ Selbsthass. Eine zweite Studie aus Tschechien bestätigt diese ermutigenden Ergebnisse.

Was waren das für Online-MBCL-Kurse, wer hat daran teilgenommen und wie dauerhaft waren die Effekte? In diesem Artikel stelle ich Ihnen die beiden Studien vor.

ZWEI STUDIEN ZEIGEN WIRKSAMKEIT VON ONLINE-FORMAT

1. Studie: Online-MBCL hilft bei Selbstkritik und Selbsthass – und stärkt Selbstmitgefühl und Selbstwert

Das Forschungsteam um Tobias Krieger von der Universität Bern (Schweiz) untersuchte in einer Studie von 2019, wie sich ein Online-MBCL-Selbstlernkurs auf Menschen mit stark ausgeprägter Selbstkritik (bis hin zu Selbsthass) und geringem Selbstmitgefühl auswirkt.

MBCL als Online-Selbstlernkurs über 8 Wochen

Um das MBCL-Programm für die Betroffenen möglichst zugänglich zu machen, haben die Forschenden einen 8-wöchigen Online-Selbstlernkurs konzipiert. Bei Bedarf konnten die Teilnehmenden psychologische Begleitung erhalten.

Die Inhalte des Kurses waren stark an das ursprüngliche MBCL-Curriculum angelehnt:

    • Acht Einheiten mit schriftlichen Erklärungen.
    • Audioaufnahmen der MBCL-Übungen.
    • Online-Tagebuch, in dem die Teilnehmenden ihre Erfahrungen aus den Übungen mit Hilfe von Fragen reflektieren konnten.

Die Studienteilnehmenden wurden gebeten, jede Woche selbständig eins der Kurs-Module zu durchlaufen, die MBCL-Übungen möglichst häufig zu praktizieren und schriftlich zu reflektieren, was sie dabei erlebt hatten. Bei emotionaler Überforderung konnten sie psychologische Begleitung anfragen.

Wer hat teilgenommen, wie lief die Studie und was wurde gemessen?

An der Studie nahmen 122 Studierende teil, die sehr selbstkritisch waren. Sie wurden zufällig in zwei Gruppen eingeteilt: Die MBCL-Gruppe bekam sofort Zugang zum Online-Selbstlernkurs, die andere Gruppe diente als Kontrollgruppe und wurde nach acht Wochen freigeschaltet.

Die Teilnehmenden waren unterschiedlich stark psychisch belastet – manche von ihnen waren in Psychotherapie, andere aber nicht. Die Studie untersuchte also die Wirkung von MBCL bei einer heterogenen (uneinheitlichen), aber durch hohe Selbstkritik geeinten Gruppe.

Vor und nach dem Kurs und dann noch einmal sechs Monate später füllten die Teilnehmenden neun Fragebögen aus. Warum so viele? Die Forschenden wollten nicht nur wissen, ob der MBCL-Selbstlernkurs (überhaupt) bei Menschen mit massiver Selbstkritik wirkt, sondern auch, wie er genau wirkt.

Mit Hilfe der Fragebögen wurden – unter anderem – Selbstkritik, Depression, Angst & Stress, Selbstmitgefühl, Selbstkritik und Lebenszufriedenheit (und noch viel mehr, siehe Auflistung unten) erfasst. Nach der letzten Messung (sechs Monate nach Kursende) wurden die Ergebnisse zwischen der MBCL-Gruppe und der Kontrollgruppe dann verglichen und die Unterschiede zwischen den Gruppen statistisch ausgewertet.

Welche Fragebögen wurden in der Studie verwendet?  

Die Forschenden benutzten folgende Fragebögen: Depression Anxiety Stress Scales (DASS-21), Self Compassion Scale (SCS), Forms of Self-Criticizing / Attacking and Self-Reassuring Scales (FSCRS), Satisfaction With Life Scales (SWLS), Comprehensive Inventory of Mindfulness Experience (CHIME), Fear of Compassion Scales (FCS), Rosenberg Self-Esteem Scale (RSES), Shame Assessment Scale for Multifarious Expressions of Shame (SHAME), Fragebogen zur Patientenzufriedenheit (ZUF-8).

Außerdem fragten das Forschungsteam nach negativen Effekten der Übungen: Hat das Programm zu Symptomen geführt, die Sie vorher nicht erlebt haben? Hat das Programm zu neuen psychischen Beschwerden geführt?. Außerdem haben sie Daten erhoben, die zeigten, wieviel Zeit die Teilnehmenden online mit dem Programm / den Übungen verbrachten.

Ermutigende Ergebnisse – nach 8 Wochen und 6 Monaten

Nach acht Wochen zeigte sich: Unabhängig davon, ob die Teilnehmenden in der MBCL-Gruppe psychisch erkrankt waren oder nicht, erlebten sie folgende deutliche Veränderungen die eindeutig durch den Kurs verursacht wurden:

 ⬆️ ⬆️  Starke Veränderungen

    • Mehr Selbstmitgefühl: Die Teilnehmenden gingen viel freundlicher mit sich selbst um, waren achtsamer und fühlten sich nicht mehr so alleine mit ihren Schwierigkeiten (geteilte Menschlichkeit)
    • Mehr Selbstwertgefühl: Sie hatten ein deutlich positiveres Selbstbild entwickelt und haben sich – unabhängig von äußeren Umständen oder Fehlern – als wertvoll und fähig wahrgenommen.
    • Mehr Selbstunterstützung: Sie hatten viel mehr das Gefühl, trotz der eigenen menschlichen Unvollkommenheit immer noch liebenswert zu sein und sich selbst anzunehmen.
    • Mehr Lebenszufriedenheit: Sie bewerteten ihre Lebensumstände als positiver und fühlten sich wohler.
    • Mehr Achtsamkeit und Präsenz im Alltag
    • Weniger Selbstkritik: Sie hatten deutlich weniger das Gefühl, nicht gut genug zu sein oder permanent zu versagen.
    • Weniger existentielle Scham: Sie fühlten viel weniger tief in ihnen verwurzelte Scham.
    • Weniger Symptome von Depression, Angst und Stress
    • Weniger Angst vor Selbstmitgefühl: Sie erlebten weniger Schwierigkeiten, mitfühlend mit sich selbst umzugehen – oft eine große Hürde für selbstkritische Menschen!

    ⬇️  Mittlere Veränderungen

      • Weniger Selbsthass: Die Teilnehmenden lehnten sich selbst weniger ab und hatten auch weniger Tendenzen, sich zu bestrafen.
        Hinweis: Selbsthass hat sich in der MBCL-Gruppe signifikant (also nicht zufällig, sondern wirklich durch den Kurs bedingt) und in bedeutsamer Stärke verringert. MBCL wirkt also auch auf diese besonders toxische Form von Selbstkritik, die als besonders schwer veränderbar gilt!

    🔄  Veränderungen waren nachhaltig

      • Effekte waren stabil. Auch sechs Monate nach Kursende waren die Auswirkungen des Online-MBCL-Selbstlernkurses noch immer nachweisbar. 59 % der Studierenden aus der MBCL-Gruppe gingen auch noch ein halbes Jahr nach Ende des Kurses viel mitfühlender mit sich um. 🧡

    Was hat besonders geholfen?

    Je mehr Kurseinheiten die Teilnehmenden bearbeiteten und je regelmäßiger sie übten, desto stärker war ihr Selbstmitgefühl nach acht Kurswochen.

    Interessanterweise führte eine intensivere Nutzung (Zeit und Klicks) nicht automatisch zu weniger Symptomen wie Depression, Stress oder Angst. Es könnte also sein, dass schon ein kleiner, aber stimmiger Impuls genügt, damit Menschen eine erste Entlastung zu spüren – eine Überlegung, die sich absolut mit meinen eigenen Erfahrungen und denen, von denen Menschen in meinen Kurse berichten, deckt. 

     💡 Entscheidend für die positiven Wirkungen des MBCL-Programms war also nicht die bloße Quantität,
    sondern vor allem die Qualität und Regelmäßigkeit der Übungspraxis.

    Hohe Akzeptanz – kaum Nebenwirkungen

    Die meisten Teilnehmenden fühlten sich gut im Kurs gut aufgehoben (wichtig, um sich öffnen und auf die Übungen einlassen zu können). Nur sehr wenige erlebten kurzfristige Nebenwirkungen wie emotionale Überforderung.

    Fazit der 1. Studie: Online-Mitgefühl lindert starke Selbstkritik – und kann Psychotherapie ergänzen

    Die positiven Effekte des Online MBCL-Selbsthilfeprogramms bei Menschen mit starker Selbstkritik und Selbsthass waren bedeutsam und haben die Ergebnisse der Kontrollgruppe deutlich übertroffen. Besonders erfreulich: die Verbesserungen waren auch sechs Monate nach dem Kurs noch stabil.

    Ein Online vermitteltes MBCL-Selbsthilfeprogramm ist also ein effektiver und gangbarer Weg für sehr selbstkritische Menschen, die sich sonst schwer damit tun, therapeutische Hilfe anzunehmen. Und mehr noch: MBCL kann die klassische Psychotherapie auf sinnvolle Weise ergänzen. Denn ein gestärktes Selbstmitgefühl verbessert nachweislich die Wirksamkeit der Prozesse in der Therapie.

    STUDIE ZEIGT, WAS EINE TÄGLICHE ÜBUNG ÜBER ZWEI WOCHEN VERÄNDERN KANN

    2. Studie: Auch ein kurzer Online-MBCL-Kurs ist effektiv

    Die Forschergruppe von Natália Ondrejková von der Universität von Bratislava (Slovakei) hat 2020 in einer Studie untersucht, ob sich auch eine deutlich verkürzte Online-Variante des MBCL-Programms positiv auf starke Selbstkritik und die damit verbundene psychische Belastung auswirkt.

    Die Intervention: Online-MBCL-Kurs in 15 Tagen

    Erforscht wurde die Wirkung eines Online-MBCL-Kurses, bei dem die Teilnehmenden 15 Tage lang jeden Morgen eine E-Mail mit einer Übung aus dem MBCL-Programm bekamen und praktizieren sollten.

    Jede Übung (zum Beispiel Ein sicherer Ort oder Mitfühlend mit inneren Mustern (von Selbstkritik) umgehen) bestand aus…

      • einer kurzen Einleitung,
      • der eigentlichen Übungsanleitung und
      • Reflexionsfragen (Was haben Sie in der Übung wahrgenommen? Was haben Sie entdeckt? Was nehmen Sie mit in Ihren Alltag?).

    Bei der Auswahl der MBCL-Übungen hatten das Forschungsteam darauf geachtet, dass möglichst viele der Übungen des ursprünglichen 8-wöchigen MBCL-Curriculums enthalten waren. Da einige der Teilnehmenden keine Erfahrung mit Achtsamkeit hatten, haben enthielt der MBCL-Kurs zusätzlich kleine Achtsamkeitsübungen.

    Wer nahm teil – und wie wurde gemessen?

    An der Studie haben insgesamt 50 junge, selbstkritische Erwachsene ohne psychische Vorerkrankungen teilgenommen. Sie wurden per Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilt: eine Interventionsgruppe und eine Wartekontrollgruppe.

    Alle Teilnehmenden füllten vor und nach dem Kurs und dann noch einmal zwei Monate später Fragebögen aus. Damit wurden Selbstmitgefühl, Selbstkritik und Selbsthass erfasst. Nach der letzten Messung haben die Forschenden dann die Ergebnisse verglichen und statistisch ausgewertet.

    Welche Fragebögen wurden in der Studie verwendet?

    Genau wie in der Studie von Krieger und Kolleg:innen, die ich Ihnen oben vorgestellt habe, wurden sie mit den Fragebögen Forms of Self-Criticizing / Attacking and Self-Reassuring Scales (FSCRS) und der Self Compassion Scale (SCS) gemessen.

    Spürbare Veränderungen: Wie 15 Tage MBCL harsche Selbstkritik und Selbstmitgefühl positiv beeinflussen

    Die Ergebnisse sind eindeutig: Nach den 15 Tagen – und auch noch nach zwei Monaten – zeigten sich bei den Teilnehmenden in der MBCL-Gruppe deutliche Veränderungen, die eindeutig dem Kurs zuzuordnen waren:

    ⬆️ ⬆️  Starke Veränderungen

    • Weniger Selbstkritik: Die Teilnehmenden hatten viel weniger das Gefühl, nicht gut genug zu sein und kritisierten oder entwerteten sich entsprechend weniger. Hier zeigt sich, dass die Mitgefühlspraxis unser Selbstbild tiefgreifend verändern kann.
    • Mehr Selbstmitgefühl: Die Teilnehmenden hatten eine freundlichere innere Haltung sich selbst gegenüber entwickelt, fühlten sich nicht mehr so allein mit ihren Schwierigkeiten und waren achtsamer.

    ⬆️  Mittlere Veränderungen

    • Weniger Selbsthass: Die Teilnehmenden verachteten sich weniger und lehnten sich – auch zwei Monate nach dem Kurs – nicht mehr so stark ab. Ein wichtiges und überraschendes Ergebnis, weil Selbsthass so toxisch wirkt und sich oft nur schwer verändern lässt. Und das, obwohl sich nur eine einzige der MBCL-Übungen ausdrücklich mit dem Thema „Selbstkritik“ beschäftigte!

    In der Kontrollgruppe – also bei den Teilnehmenden, die keine MBCL-Übungen praktizierten und warteten – blieben Selbstkritik und Selbsthass fast unverändert. Beim Selbstmitgefühl zeigte sich jedoch auch bei ihnen ein leichter Anstieg. Das erklärten die Forschenden damit, dass allein die Teilnahme an der Studie sie dazu motivierte darüber nachzudenken, wie freundlich und mitfühlend sie mit sich umgingen.

    Fazit aus der 2. Studie: Ein kurzer Online-MBCL-Kurs lindert Selbstkritik und Selbsthass

    Diese Studie zeigt, dass Menschen nicht „jahrelang auf dem Meditationskissen sitzen müssen“, um spürbare Entlastung zu erfahren! Schon ein kurzer Online-MBCL-Selbstlernkurs konnte bei jungen, sehr selbstkritischen Erwachsenen spürbare positive Veränderungen bewirken.

    Sie entwickelten mehr Selbstmitgefühl und haben gelernt, einen hasserfüllten Teil in sich zu beruhigen, der sie bisher regelrecht abgelehnt und verachtet hatte.

    MBCL ist also eine wirksame Möglichkeit, mit der auch hartnäckige Muster von starker Selbstkritik und Selbsthass behutsam verändert werden können.

    Gesamtfazit: MBCL online lernen – wirksam und zugänglich

    Die Ergebnisse aus den beiden Studien zur Wirksamkeit von Online-MBCL-Selbstlernkursen machen wirklich Mut:

      • Ein Online-MBCL-Kurs hilft Menschen mit starker Selbstkritik und Selbsthass wirkungsvoll und nachhaltig dabei, mehr Selbstmitgefühl zu entwickeln und lindert ihre psychischen Beschwerden.
      • Online-Formate sind ein gangbarer Weg für Menschen, die sich sonst schwer damit tun, therapeutische Hilfe anzunehmen.
      • Schon ein kurzer Online-MBCL-Kurs kann Selbsthass ähnlich wirksam und nachhaltig lindern, wie ein längerer Kurs.
      • MBCL kann die klassische Psychotherapie auf sinnvolle Weise ergänzen – denn mehr Selbstmitgefühl verbessert nachweislich die Wirkung der Therapie.

    Die MBCL-Übungen sind also nachweislich effektiv und können die starke Belastung der betroffenen Menschen wirksam lindern. Damit wird die Mitgefühlspraxis zu einem wichtigen Schritt in Richtung innerer Heilung.

    Mitgefühl üben: Überblick über die Übungen des MBCL-Programms

    Zwei Studien, ein Ergebnis: MBCL im Online-Selbstlernformat (8 Wochen oder 15 Tage) verringert Selbstkritik deutlich und lindert sogar hartnäckicken Selbsthass

    War der Artikel interessant für Sie? Schreiben Sie es mir gerne in die Kommentare unten. 💬

    Und wenn Sie selbst erfahren möchten, wie Selbstmitgefühl Ihre kritische innere Stimme versanften kann, lade ich Sie herzlich zu meinem meiner Online-MBCL-Kurse ein. In kleiner, geschützter Runde erkunden wir gemeinsam die Übungen, die in den Studien so wirkungsvoll waren.

    Ich freue mich darauf, von Ihnen zu lesen und/oder Sie ein Stück auf Ihrem Weg zu begleiten.

    Häufige Fragen

    Welche Folgen haben starke Selbstkritik und Selbsthass?

    Sie erhöhen unter anderem das Risiko für Depressionen und depressive Rückfälle, Ängste, Essstörungen, Traumafolgestörungen. Je stärker die Selbstkritik, desto stärker sind oft auch die Symptome.

    Warum fällt es so vielen Menschen schwer, freundlich mit sich selbst zu sein?

    Viele von uns haben früh gelernt, dass Leistung, Kontrolle und Stärke wichtig sind – und dass sie Schwäche, Fehler oder emotionale Not vermeiden oder verstecken sollten. Daraus kann eine innere Kritikerin / ein innerer Kritiker entstehen, der/die sehr streng mit uns spricht.

    Aus evolutionärer Sichtweise beschützt uns diese kritische innere Stimme davor, von anderen kritisiert und eventuell aus der (überlebenswichtigen) Gruppe ausgeschlossen zu werden. Sie ist also nicht „falsch“. Wenn sie aber übermächtig wird, kritisieren wir uns ausgerechnet in den Momenten, in denen wir Verständnis und Unterstützung bräuchten und vergrößern so noch unser Leid.

    Kann ein Online-Kurs wirklich gegen Selbsthass helfen? Ist das nicht zu „oberflächlich“?

    Die beiden vorgestellten Studien zeigen: Ja, Online-MBCL-Kurse können tiefgehende Veränderungen ermöglichen. Auch hartnäckige Muster wie Selbsthass und existentielle Scham konnten gelindert werden – und das nachhaltig. Gerade für Menschen mit Selbsthass ist ein Online-Kurs ein gangbarer Weg zu mehr Selbstmitgefühl und weniger Selbstkritik und Selbsthass.

    Was bedeutet "Angst vor Mitgefühl"?

    Angst vor Mitgefühl (im englischen heißt es: Fear of Compassion) ist ein komplexes Phänomen. Der Begriff beschreibt die Schwierigkeiten die Menschen haben können, sich selbst oder anderen mitfühlend zu begegnen oder Mitgefühl von anderen anzunehmen.

    • Angst vor Selbstmitgefühl: Menschen befürchten, dass sie durch das Üben von Selbstmitgefühl nachlässig oder faul werden, zu offen und verletztlich sind oder nicht mit intensiven Gefühlen (z.B. Traurigkeit) umgehen können, die durch die (Selbst-)Mitgefühlspraxis an die Oberfläche kommen.
    • Angst vor Mitgefühl für andere: Sie haben Angst davor, mitfühlend mit anderen umzugehen. Sie befürchten, schwach zu wirken, ausgenutzt zu werden oder haben Sorge, mit anderen mitzuleiden.
    • Angst davor oder Widerstand dagegen, Mitgefühl anzunehmen: Sie haben Sorge, dass sie das Annehmen von Mitgefühl verletzlich macht oder dass sie selbst nicht so fürsorglich darauf antworten können.

    →  Mehr dazu lesen Sie in diesem englischsprachigen Artikel von Dr. Chris Irons, einem klinischen Psychologen und CFT-Therapeuten (Compassion Focused Therapy).

    Gibt es Nebenwirkungen beim Üben von Selbstmitgefühl und Mitgefühl mit anderen? Können die Übungen emotional überfordern?

    Wenn Sie Mitgefühl mit sich selbst oder anderen üben, kann es gut sein, dass schmerzhafte Gefühle auftauchen. Das ist nicht ungewöhnlich.

    Um im Alltag funktionieren zu können, mussten wir alle manchmal schmerzhafte Erfahrungen wegschieben. Wenn wir dann Mitgefühl mit uns oder anderen praktizieren, öffnen wir unser Herz. Da ist es ganz wahrscheinlich, dass sich alter Schmerz, Scham, Traurigkeit oder Ängste zeigen.

    Wenn Sie genau diese Gefühle mit Achtsamkeit „halten“ und behutsam mit Güte, Wärme, Verständnis (also mit Mitgefühl) berühren, findet die emotionale Heilung statt, die das große Potenzial der Mitgefühlspraxis ausmacht. Immer mal wieder kann sich ein kleiner „Schwapp“ von Gefühlen zeigen, auf sichere Weise gehalten, gefühlt und „verdaut“ werden – ohne Sie emotional zu überfordern.

    Achtsamkeitserfahrung (zum Beispiel durch einen MBSR- oder MBCT-Kurs) ist daher eine wichtige Voraussetzung für MBCL. Hier werden die Übungen immer behutsam eingeführt und traumasensitiv angeleitet. Sie haben also immer die Freiheit, der Anleitung zu folgen oder ihren eigenen Weg zu gehen. Außerdem gibt es im MBCL-Kurs immer die Möglichkeit, Unterstützung im Umgang mit schwierigen Erfahrungen zu erhalten und durch den Umgang mit ihnen zu wachsen.

    Kann MBCL eine Psychotherapie ersetzen?

    Nein, aber ein MBCL-Kurs kann eine laufende Therapie sinnvoll ergänzen und deren Wirksamkeit unterstützen.

    Für wen ist ein MBCL-Kurs nicht geeignet?

    MBCL ist ein wirksames Programm, das Mitgefühl und Achtsamkeit fördert. Es ist aber kein Ersatz für eine psychotherapeutische oder medizinische Behandlung. Wenn einer der folgenden Punkte auf Sie zutrifft, rate ich Ihnen von einer Teilnahme ab:

    • Sie haben noch keine oder nur wenig Erfahrung mit Achtsamkeit.
    • Sie befinden sich in einer akuten psychischen Krise (schwere Depression, emotionale Instabilität, Psychose, Schizophrenie oder akute Suizidalität).
    • Sie befinden sich in einer Lebenskrise oder haben vor Kurzem einen nahestehenden Menschen verloren.
    • Sie leben mit einem schweren, noch nicht verarbeiteten Trauma.
    • Sie sind aktut Suchterkrankt (Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenmissbrauch).
    • Sie haben eine akute schwere körperliche Erkrankung.

    In Situationen wie diesen sind oft andere therapeutische Maßnahmen vorrangig. Diese kann Ihnen ein MBCL-Kurs nicht bieten. Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail an info@achtsamkeit-willms.de wenn Sie sich nicht sicher sind, ob ein Kurs zum jetzigen Zeitpunkt das Richtige für Sie ist. Ich unterstütze Sie gerne bei Ihren Überlegungen.

    Was ist MBCL – und worin unterscheidet es sich von MBSR?

    MBCL steht für Mindfulness-Based Compassionate Living – ein Mitgefühlstraining, dass an einen grundlegenden Achtsamkeitskurs (zum Beispiel MBSR) anknüpft. Durch das MBCL-Programm vertiefen Sie Ihre Achtsamkeitspraxis durch die systematische Praxis von Selbstmitgefühl und Mitgefühl mit anderen.

    MBSR fokussiert mehr auf Achtsamkeit, Stressbewältigung und Präsenz. MBCL zielt darauf ab, diese Fähigkeiten durch Selbstmitgefühl und Mitgefühl mit anderen zu erweitern. Uns in schwierigen Momenten mit mehr Herzenswärme zu begegnen, lindert Selbstkritik und Scham.